Myanmar, Land der Mönche (8/18) – in einem Dorf bei Mingun: Mein Patenkind, seine Familie & der alles überwachende Dorfvorsteher.
In meinem Herzen ist Pia immer noch mein Patenkind, Godchild, so wie YinYin sie genannt hat. Aber ich möchte Euch gleich das Ende von der Geschichte erzählen, weil sich eigentlich alles in Luft aufgelöst hat. Immer noch ein wenig verständnislos blicke ich auf die Geschichte, die so gut begonnen hatte und sich dann einfach alles in Luft aufgelöst hat. Der Kontakt zu Pia ist abgebrochen, da es nicht möglich war, sie oder ihre Familie dazu zu bringen, brieflich oder per Mail Kontakt zu mir zu halten. Ich hätte das alles bezahlt oder mit organisiert, aber ich bin mit diesem Wunsch nicht durchgedrungen. Ich musste lernen, dass Menschen die Welt ganz anders sehen als ich. Es wurde Pia nicht ermöglicht den Computer im Dorf einmal im Monat für eine kurze Zeile zu nutzen oder einen winzigen Brief zu schreiben. Ich hätte vielleicht noch einmal hin fliegen müssen, aber das hatte sich nicht ergeben. Denn YinYin, Pias Englischlehrerin und die Geldverwalterin, ist, der Liebe wegen, nach Deutschland gezogen und somit war der Kontakt zu Pia weg. Einfach so.
Übrigens mein Vater hatte einen Jungen, JoJo, ein Jahr lang unterstützt und auch hier ist das Gleiche passiert, keine Mails oder mal ein Brief. Obwohl für einen Jungen, der sich im Gegensatz zu Mädchen frei bewegen kann, wäre es gar kein Problem gewesen, in das sieben Kilometer entfernte Mingun zu radeln und dort im Internetcafe eine Mail zu schreiben. Mit meinem Denken über die Welt kann ich nicht begreifen, warum die Kids und ihre Familien das nicht getan haben. Übrigens wenn JoJo, der Ältere diese Mail für Pia geschrieben hätte, das hätte mir auch gereicht.
Aber ganz von Anfang an. Bei meinem ersten Besuch in Myanmar, lernte ich im Hotel Golden Mandalay Orlando kennen, der als Entwicklungshelfer im gegenüber des Hotels liegenden Kinderheim (1. Besuch im Kinderheim, 2. Besuch im Kinderheim) gearbeitet hatte. Er zeigte mir das Kinderheim und ich hätte die ganze Zeit weinen können. Dort lernte ich auch Hanne kennen, die dort ebenfalls ehrenamtlich arbeitete und ein bereits erwachsenes Patenkind hatte und zwar YinYin, die Englischlehrerin von Pia. So kam der Kontakt zustande und in diesem ersten Moment des Kennenlernens entschloss ich mich, auch ein Kind zu unterstützen und dessen Ausbildung zu finanzieren. Ich überließ es Hanne, die richtige Familie, das richtige Mädchen, auszuwählen.
Ein Jahr hatte Pia und ihre Familie nun bereits Unterstützung bekommen, worüber YinYin, die das Geld verwaltete, wirklich ganz genau Buch geführt hatte. Und nun bei meinem zweiten Besuch war es soweit, ich sollte die Kleene und ihre Familie kennen lernen.
Mir war das alles sehr wichtig, denn ich bin ein Adoptivkind. Meine Adoptivelternltern waren eine ganz wunderbare Wahl, es war zwar nicht immer harmonisch, aber ich hatte eine tolle Kindheit und ganz besonders mein Dad ist ein Optimist mit Tiefgang, von dem ich so viel lernen konnte. Als meine Kinder geboren wurden, habe ich mich auf die Suche nach meinen leiblichen Eltern gemacht und auch diese zählen heute zu meiner Familie. Ich bin also in der überaus reichen und glücklichen Position, zwei Mütter und zwei Väter zu haben. Von diesem Glück wollte ich so gerne etwas der Welt zurück geben. Leider hat es nicht funktioniert.
So bleibt heute nur die Erinnerung an eine einzigartige Begegnung und ein Spaziergang durch das Dorf, wobei ihre kleine Hand in meiner verweilte. Die Chemie zwischen Pia und mir hatte gestimmt, sie war ein cooles, äußerst smartes Kind, gar nicht schüchtern und sehr herzlich.
Zwei Tage zuvor hatten wir YinYin in Mingun getroffen und gestern Abend hatte sie meine Freundin Yvonne und mich im Hotel Golden Mandalay abgeholt, wo wir dann zusammen mit SaiSai unserem Fahrer drei Fahrräder für die Schule kaufen gingen, die dann direkt zum Hafen geliefert wiurden. Das Geld für die Räder hatten meine Klienten in meiner Berliner Praxis gespendet.
Heute früh trafen wir uns wieder im Hotel Golden Mandalay, fuhren noch in die Stadt, um Donuts für die Familie zu kaufen, etwas Besonderes, was sie normalerweise nicht essen würden und eine Tüte Obst, als Spende für den Abt. Wenn man in Myanmar mit den Menschen eines Dorfes Kontakt haben möchte, so kommt man an dem Abt und auch an dem Dorfvorsteher nicht vorbei. Die haben ein Auge darauf, dass alles korrekt abläuft. Auf dem Land in Myanmar gibt es Individualität und Freiheit oder Selbstbestimmung der Frau nur sehr beschränkt.
Die Fahrt auf dem Irravaddy gestaltete sich schwieriger, als erwartet. Erst war es gar nicht leicht, ein Boot zu finden, was uns nicht nur nach Mingun, sondern direkt zu Pias Dorf brachte. Das hatte mit den Strömungsverhältnissen zu tun und die waren krass, wie wir dann auch gleich erfahren durften. Eine mutige Bootsführerin, ja es war eine Frau, war bald gefunden und die Fahrräder wurden verladen.
Wir fuhren los und alles schien wunderbar, als plötzlich der Motor ausging und leider auch nicht wieder an. Das bedeutete, dass wir steuerungsunfähig von der Strömung des Irravady gnadenlos mitgerissen wurden und recht bald in am Ufer festgemachte Boote knallten. Ich hörte Holz splittern und es gab einen ordentlichen Rums beim Aufprall. Allerdings sind die Boote sehr robust und am Ende war es wohl nicht ganz so schlimm. Nur mussten wir das Boot wechseln, was eine Weile dauerte. Aber unsere mutige Bootsführerin blieb uns erhalten.
Der Weg zu Pias Dorf führte über einen kleinen Weg am Flussufer unter Baumriesen entlang.
Als wir das Dorf erreichen, können wir schon einen Blick auf das Haus von Pias Familie werfen. Aber zuerst werden wir in die Schule gehen, um den Abt und den Dorfvorsteher begrüßen. Danach Pia und JoJo aus ihrer Klasse abholen und zu Pia nach Hause gehen.
Als wir zu Pia nach Hause gehen ist der Dorfvorsteher mit dabei, auch beim späteren Rundgang durch das Dorf, weicht er nicht von unserer Seite. Vielleicht ist es ein wenig Neugier, vielleicht auch Freundlichkeit als „Gastgeber“, ein wenig habe ich aber auch das Gefühl er will uns nicht aus den Augen lassen. Pia wohnt in einem paradiesischen Dorf, so viele Bäume, Natur, der Fluss, diese Holzhütten… Aber bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass es an Vielem fehlt. Manchmal fehlt sogar schon Reis, das Grundnahrungsmittel. An frisches Obst und Gemüse ist dann gar nicht zu denken.. Die Küche unter freiem Himmel mit der Teekanne auf dem offenen Feuer sieht zwar romantisch aus, aber wie umständlich für eine Mutter von vier Kindern. Das Haus hat einen Schlafraum oben auf Stelzen, und unter dem Haus im luftigen Schatten gibt es einen gezimmerten Tusch mit zwei Bänken, wo wir uns setzen.
Die Mutter von Pia bleibt etwas schüchtern stehen, was mir gar nicht behagt. Auch kommt sie später mit einem Diagnosebericht vom Krankenhaus, wo ihr Nierensteine bescheinigt werden, zu uns und fragt uns, was sie tun soll. Ich fühle mich nicht ganz wohl in meiner Haut, Ich fühle mich so, als ob ich auf einen Sockel gestellt werde, wo ich nicht hin gehöre, weil ich nichts dafür getan haben. Ein völlig seltsames Gefühl. Ich hätte mir mehr gewünscht, dass sie sich zu uns gesetzt hätte und der Dorfvorsteher, dem hier alle großen Respekt zeigen, sich einfach mal zurückgezogen hätten.
Aber Pia ist glücklich. Sie ist heute ein kleine Prinzessin, bekommt ein paar Geschenke und strahlt die ganze Zeit. Ich freue mich, dass sie so forsch ist und es mir ganz leicht macht, in Kontakt zu ihr zu kommen. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich noch ein lebenslang dauernde Verbindung eingegangen zu sein. Wirklich, ich habe das sehr ernst genommen. Ich war genauso verliebt, wie ich verliebt war, als ich meine leibliche Mutter mit 30 Jahren zum ersten Mal gesehen habe. Mit verliebt meine ich dieses Hochgefühl, dass einen erfüllt über Wochen hinweg.
Pias Vater ist heute nicht dabei, er ist wie so oft tagelang unterwegs als Holzfäller.
Der Spaziergang durch das Dorf war herrlich. Pia hielt die ganze Zeit meine Hand und wir redeten sogar ein paar zaghafte Worte miteinander. Ich mochte dieses Dorf. Ich meine was für ein Vergleich, ob man in einer lauten Stadt in Asien lebt oder hier unter diesen Baumriesen und in der Stille, seinen Garten hat und das Dorf mit den Menschen drumherum. Allerdings ist nicht alles rosig. Die Regenzeit bringt Stürme und Krankheiten, die Lebensmittel reichen oft nicht, ärztliche Versorgung gibt es nur durch Hilfsorganisationen, aber immerhin es gibt sie und es herrscht eine gewisse Härte in den Familien. Frauen und Mädchen haben deutlich weniger Rechte, selbst YinYin darf alleine von ihrem Vater aus nirgendwohin gehen. Und wenn ein Kind mal geschlagen wird, dann ist das normal.
Später, nach dem Spaziergang sitzen wir vor dem Haus. JoJo und ein paar Nachbarn gesellen sich zu uns. Die Stimmung ist heiter und lustig, nicht mehr so angespannt, wie zu Beginn.
Kurz vor der Rückfahrt gehen wir noch einmal zurück zur Schule. Mittlerweile haben sie die von meinen Klienten gestifteten Fahrräder zur Schule gebracht und die ersten Kinder können sie ausprobieren. Was für ein Spaß!!!
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Buchempfehlungen für Myanmar:
Stefan Loose Reiseführer Myanmar (Birma): Mit diesem Reiseführer waren wir unterwegs und fanden ihn richtig gut.
Das Herzenhören (Die Burma-Serie, Band 1): Eine wirklich das Herz berührende Geschichte und wunderbar geschrieben, konnte kaum aufhören zu lesen.
Herzenstimmen: Roman (Die Burma-Serie, Band 2): Auch das zweite Buch von Jan-Philipp Sendker war ein Genuss. Die ideale Einstimmung auf eine Myanmarreise.
Aung San Suu Kyi: Ein Leben für die Freiheit: Ein Muss für jeden Myanmarreisenden, sich kurz mit dieser charismatischen Heldin von Myanmar auseinander zu setzen.
Und so geht unsere Reise im Land der Mönche, in Myanmar weiter:
Myanmar, LAnd der Mönche (15/18) – Kakku: Drachenwächter mit Rockabilly Frisuren & tausende Pagoden.
Myanmar, Land der Mönche (18/18): Hunde Hunde Hunde & ein paar Katzen!
Solche Kontakte sind irgendwie kaum möglich. Wir hatten über 30 Jahre Patenkinder beim CCF, wo der Kontakt ja ausdrücklich erwünscht ist. Die Briefe der Patenkinder klangen aber stets stereotyp: Mir geht es gut, das Wetter ist schön usw. Und das sogar bei einem Mädchen, dass schließlich an einer Universität studierte. Dennoch bekamen wir nie einen Einblick in ihr Leben. Meine Fragen wurden nie beantwortet. Das ist halt eben so…Ich tröste mich mit dem Gefühl, den Lebensunterhalt eines Kindes zu bestreiten und seine Ausbildung zu finanzieren.